Autor: Kurt Schauer
Schon lange ist das „Deppenapostroph“ bekannt. Obwohl die deutsche Sprache eigentlich ein solches Satzzeichen nicht vorsieht, findet das kleine Strichlein, das ein besitzanzeigendes S vom Nomen abtrennt (z.B. Heinrich’s Fischgeschäft) täglich neue Anhänger.Daran hat man sich fast gewöhnt, neu hinzu tritt jedoch immer häufiger das “Deppenleerzeichen” – und dieses wird für jeden, der beruflich schreibt, zu einer echten Herausforderung.
„Welt“-Redakteur Matthias Heine ließ Mitte Februar 2016 seinen Frust über das Deppenleerzeichen freien Lauf. Mit der deutschen Sprache werde, wie schon Wladimir Kaminer einst sagte, inzwischen wie mit Legosteinen umgegangen, schrieb der Journalist. Hauptworte werden frei kombiniert, was die deutsche Sprache weitgehend gestattet, allerdings nicht mehr verbunden – wie man es mit Legosteinen tun sollte. Die englische Sprache greift in der deutschen um sich: Dort werden zusammengesetzte Wörter getrennt aufgeschrieben: Aus Legosteinen werden beispielsweise „Lego bricks“. Überall im Deutschen ist das Deppenleerzeichen auf dem Vormarsch. Der Bindestrich, der eigentlich gesetzt werden müsste, wenn man die Wörter schon nicht zusammenschreiben möchte, ist vom Aussterben bedroht. Echte Klassiker sind mittlerweile Ausdrücke wie „Steinofen Pizza“, „6 Korn Flocken“ oder „Kaiser Reich“.
Heine hat sich in seinem Artikel auch auf Spurensuche begeben, woher eigentlich das Deppenleerzeichen stammt. Drei Schuldige konnte er neben der Anglisierung der deutschen Sprache dabei ausmachen: Zum einen sei die letzte Rechtschreibreform schuld, so der „Welt“-Redakteur. Viele Ausdrücke wie beispielsweise „sitzen bleiben“, die bislang zusammengeschrieben worden seien, würden schließlich jetzt getrennt. Aber zum zweiten hätten auch die Theater ihren Teil der Verantwortung zu tragen: Einrichtungen wie das Maxim Gorkin Theater hätten auf die Bindestriche aus optischen Gründen auf ihren Plakaten und Werbetafeln verzichtet. Bei den Menschen habe sich ein Gewöhnungseffekt eingestellt.
Zum dritten, und deshalb dürfte das Deppenleerzeichen gerade in den letzten Jahren Hochkonjunktur feiern, hat die anarchische Rechtschreibung in den Social Media den Bindestrich weitgehend vertrieben. Heine bringt das passende Beispiel, das in Facebook teilweise sogar vor einem Komma das Leerzeichen gesetzt wird. Überhaupt sei es hier weit verbreitet, die Deppenleerzeichen vor Satzzeichen zu setzen.
Gerade der Trend in Facebook und Co. zum Deppenleerzeichen ist aber ein Problem für die schreibende Zunft – insbesondere für die Personen, die im Marketing-Bereich tätig sind. Schließlich gehören beispielsweise Facebook-Posts zu dem, was Werbetreibende als Standard zu erledigen haben. Sollte man sich möglicherweise der Sprache seiner Zielgruppe anpassen? Sollte man vor dem Deppenleerzeichen kapitulieren, wie es beispielsweise der Medienjournalist Mario Sixtus im Angesicht einer Packung „Brillen Putztücher“ tat?
Die Antwort ist ein deutliches Nein. Es gibt keine sprachlichen Regeln bis auf die, die das Deppenleerzeichen zu Recht als falsch brandmarken. Und Hoffnung gibt es ohnehin, um noch einmal auf den „Welt“-Artikel zurückzukommen: Heine schließt mit einer Rückblende und erinnert daran, dass bis 1876 bzw. 1901, als die Rechtschreibung einheitlich geregelt wurde, jeder Leerzeichen setzen konnte, wie er wollte. Und trotzdem setzte sich das Konzept der Einheitlichkeit sehr schnell durch. Selbst große Autoren wie Wilhelm Busch, der forderte, dass auf Straßennamen sein Name ohne Bindestrich geschrieben werden sollte, mussten sich fügen. Möglicherweise gelingt dies wieder. Der Bindestrich ist vielleicht eine aussterbende Art, aber tot ist er noch nicht.